Seit 1980 versucht der mehrfach preisgekrönte Afrika-Korrespondent des SPIEGEL einen Kontinent zu verstehen, in dem Europa dreimal Platz finden würde. Ein Kontinent mit 1,3 Milliarden Einwohnern, von denen 60 Prozent jünger als 25 Jahre sind. Ein Kontinent, bestehend aus 55 Staaten, Tausenden von großen Völkern und kleinen Ethnien, Kulturen und Religionen mit über 2000 verschiedenen Sprachen. Ist es eine Anmaßung, Afrika verstehen zu wollen? Dann geht es vielleicht eher um Momentaufnahmen von einem rauen und sanften, brutalen und feinfühligen, niederschmetternden und beglückenden Erdteil.
Der Vortrag des großen Afrika-Freundes beginnt ganz aktuell mit einer Bestandsaufnahme in Sachen Corona. Bis Redaktionsschluss hat sich das Virus in Afrika ganz anders verbreitet als in allen anderen Kontinenten: sehr viel langsamer als allgemein befürchtet und von den Regierungen mit ganz unterschiedlichen Maßnahmen bekämpft, die in ihrer Bandbreite von brutal durchgesetzten Ausgangssperren bis zur Ablehnung der Corona Tests reichten, weil mit ihnen angeblich sogar Papayas und Ziegen positiv getestet werden können. Ist Afrika wenigstens in der Corona-Krise noch einmal mit einem blauen Auge davon gekommen - und wie hat Corona Afrika verändert?
Andere aktuelle Themen des Vortrags: Die Rückkehr der großen Autokraten, die gleichzeitig aber auch große Reformer mit wirtschaftlichen Erfolgen sein können. Oder der dramatisch wachsende Einfluss Chinas in Afrika, der andererseits zu den ersten Widerständen gegen einen "neuen Kolonialismus" führt. Es geht um unermessliche Rohstoffe und natürlich auch um die Angst Europas vor einer großen afrikanischen Flüchtlingswelle. Und um die angekündigte Neuausrichtung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.
Der große Afrikakenner will aber natürlich auch sein neues Buch vorstellen. Es trägt den Titel "Herrenmenschen" und beschreibt unser rassistisches Erbe: Das Herrenmenschentum prägt nach wie vor unser Denken. Die Klischees von den "bedrohlichen Afrikanern" oder "hilflosen Entwicklungsländern" wirken fort, gerade in Zeiten von Epidemien, Flucht und Migration.
Bartholomäus Grill hat nach dem Studium von Philosophie, Soziologie und Kunstgeschichte als Kulturredakteur beim Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt und als Redakteur für Politik bei "Die Zeit" gearbeitet, die ihn 1993 als Afrika-Korrespondent nach Johannesburg entsandte. 2013 wechselte Grill zum SPIEGEL, wo er bis heute als Afrika-Korrespondent arbeitet. Von 2005-2009 gehörte Grill außerdem zum Afrika-Beraterkreis von Bundespräsident Horst Köhler. Seine Verbundenheit mit Afrika hat Grill mit mehreren Büchern über den Kontinent ("Ach, Afrika" u.a.) zum Ausdruck gebracht. Für sein Engagement wurde er mit zehn verschiedenen Preisen ausgezeichnet, darunter den Reportagepreis des Europarates, den Medienpreis Entwicklungspolitik und den Henri- Nannen-Preis für die beste Reportage. Grill ist verheiratet und lebt in Kapstadt.
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